Das Wichtigste im Überblick
- Kontinuität der Betriebszugehörigkeit: Bei einem neuen Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber bleibt die ursprüngliche Betriebszugehörigkeit meist bestehen und wirkt sich auf die Kündigungsfristen aus
- Differenzierte Rechtsprechung: Je nach Ausgestaltung des neuen Vertrags können unterschiedliche Regelungen zu Kündigungsfristen greifen - von der Fortsetzung alter Fristen bis zur kompletten Neubegründung
- Vertragsgestaltung entscheidend: Die konkrete Formulierung im neuen Arbeitsvertrag bestimmt maßgeblich, ob und wie sich Kündigungsfristen ändern
Wenn Arbeitnehmer bei ihrem bisherigen Arbeitgeber einen neuen Arbeitsvertrag erhalten – sei es aufgrund einer Beförderung, eines Wechsels in eine andere Abteilung oder einer grundlegenden Neustrukturierung des Arbeitsverhältnisses – stellen sich häufig Fragen zu den geltenden Kündigungsfristen. Diese Situation betrifft täglich unzählige Beschäftigte in Deutschland und kann erhebliche Auswirkungen auf ihre Rechtsposition haben.
Die Unsicherheit darüber, welche Kündigungsfristen nach Abschluss eines neuen Vertrags gelten, ist berechtigt. Denn die rechtliche Beurteilung hängt von verschiedenen Faktoren ab und kann im Einzelfall zu überraschenden Ergebnissen führen. Eine falsche Einschätzung kann sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber kostenintensive Konsequenzen haben.
Rechtliche Grundlagen verständlich erklärt
Gesetzliche Kündigungsfristen nach § 622 BGB
Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt in § 622 BGB die grundlegenden Kündigungsfristen für Arbeitsverhältnisse. Ist eine Probezeit vereinbart, gilt kraft Gesetzes eine Kündigungsfrist von zwei Wochen (§ 622 Abs. 3 BGB). Davon können die Tarifvertragsparteien – auch zuungunsten des Arbeitnehmers – abweichen. Einzelvertraglich sind längere Fristen stets zulässig; eine einzelvertragliche Verkürzung ist nur in den engen Ausnahmen des § 622 Abs. 5 BGB (Aushilfen; Verzicht auf den Kündigungstermin in Kleinbetrieben) möglich.
Nach Ablauf der Probezeit gilt grundsätzlich die Grundkündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats (§ 622 Abs. 1 BGB). Abweichungen sind tarifvertraglich umfassend möglich; einzelvertraglich vor allem als Verlängerung oder in den gesetzlich eng definierten Ausnahmen des § 622 Abs. 5 BGB.
Für Arbeitgeber verlängern sich die gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit deutlich; die Verlängerung gilt nur für Arbeitgeberkündigungen und kann durch Tarifvertrag modifiziert werden. So beträgt die Frist nach zweijähriger Betriebszugehörigkeit ein Monat, nach fünf Jahren zwei Monate, nach acht Jahren drei Monate und steigt stufenweise bis zu sieben Monaten zum Monatsende nach 20-jähriger Betriebszugehörigkeit.
Bedeutung der Betriebszugehörigkeit
Der Begriff der Betriebszugehörigkeit ist zentral für die Berechnung von Kündigungsfristen. Sie beginnt grundsätzlich mit dem ersten Tag des Arbeitsverhältnisses und endet mit dessen Beendigung. Entscheidend ist in erster Linie das rechtliche Bestehen eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses, ergänzt um eventuell vereinbarte Anrechnungen von Zeiten; die tatsächliche Beschäftigung beim selben Arbeitgeber ist dabei ein wichtiges, aber nicht allein ausschlaggebendes Kriterium.
Bei einem Wechsel des Arbeitsvertrags innerhalb desselben Unternehmens stellt sich die Frage, ob die Betriebszugehörigkeit unterbrochen wird oder kontinuierlich fortbesteht. Diese Unterscheidung hat unmittelbare Auswirkungen auf die Länge der Kündigungsfristen.
Hauptaspekte bei neuem Arbeitsvertrag
Verschiedene Szenarien der Vertragsneuerstellung
Ein neuer Arbeitsvertrag bei demselben Arbeitgeber kann verschiedene Hintergründe haben. Häufige Anlässe sind Beförderungen mit erweiterten Aufgaben und höherer Vergütung, der Wechsel in eine andere Abteilung oder Niederlassung, die Umwandlung von befristeten in unbefristete Verträge oder umgekehrt, sowie die Anpassung an geänderte gesetzliche Bestimmungen.
Jedes dieser Szenarien kann unterschiedliche rechtliche Konsequenzen für die Kündigungsfristen haben. Dabei kommt es nicht nur auf den äußeren Anlass an, sondern vor allem darauf, wie der neue Vertrag gestaltet ist und ob er als Fortsetzung oder als Neubegründung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen ist.
Fortsetzung versus Neubegründung
Die zentrale rechtliche Frage lautet: Wird das bisherige Arbeitsverhältnis durch den neuen Vertrag lediglich geändert und fortgesetzt, oder wird es beendet und ein völlig neues Arbeitsverhältnis begründet? Diese Unterscheidung entscheidet über das Schicksal der bereits erworbenen Betriebszugehörigkeit.
Ob ein neuer Vertrag das bestehende Arbeitsverhältnis fortsetzt oder ein neues begründet, hängt vom erklärten Parteiwillen und den objektiven Umständen (insbesondere enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang) ab. Bei Fortsetzung oder engem Zusammenhang werden Vorbeschäftigungszeiten in der Regel angerechnet (u. a. für Wartezeit nach § 1 KSchG und die Kündigungsfristen nach § 622 BGB).
Relevante Kriterien für die Abgrenzung
Die Rechtsprechung hat verschiedene Kriterien entwickelt, um zwischen Änderung und Neubegründung zu unterscheiden. Wesentlich ist zunächst der erklärte Parteiwille, also was Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart haben. Ausdrückliche Regelungen zur Anrechnung der Vordienstzeit oder zur Kontinuität des Arbeitsverhältnisses sind hier von besonderer Bedeutung.
Darüber hinaus spielen objektive Faktoren eine Rolle. Dazu gehören die Kontinuität der Tätigkeit, die Beibehaltung wesentlicher Arbeitsbedingungen, die räumliche und organisatorische Einbindung sowie die Behandlung in anderen Bereichen wie der betrieblichen Altersversorgung oder dem Urlaubsanspruch.
Typische Fallkonstellationen mit Lösungsansätzen
Beförderung mit neuem Arbeitsvertrag
Bei Beförderungen liegt nicht automatisch eine bloße Vertragsänderung vor. Maßgeblich sind Parteiwille und Ausgestaltung. Wird ausdrücklich die Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses vereinbart oder besteht ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang, werden Vorbeschäftigungszeiten regelmäßig angerechnet.
Die Betriebszugehörigkeit bleibt in solchen Fällen meist erhalten, und die bereits erworbenen längeren Kündigungsfristen gelten weiter. Anders kann es sich verhalten, wenn der neue Vertrag eine völlig andere Position mit grundlegend geänderten Aufgaben und Verantwortlichkeiten vorsieht.
Wechsel zwischen Konzernunternehmen
Erfolgt ein Wechsel zu einem rechtlich selbstständigen Konzernunternehmen, wird regelmäßig ein neues Arbeitsverhältnis begründet. Eine Anrechnung früherer Zeiten erfolgt nur bei ausdrücklicher Vereinbarung oder gesetzlicher Grundlage (z. B. Betriebsübergang nach § 613a BGB).
Hier ist maßgeblich, ob der Arbeitgeber rechtlich identisch bleibt oder ob ein Wechsel zu einem anderen, rechtlich selbstständigen Unternehmen erfolgt. Bei einem Wechsel zu einem anderen Konzernunternehmen wird grundsätzlich ein neues Arbeitsverhältnis begründet, selbst wenn der Arbeitnehmer faktisch eine ähnliche oder identische Tätigkeit ausübt.
Umwandlung befristeter in unbefristete Verträge
Der Übergang von einem befristeten zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis begründet rechtlich regelmäßig ein neues Arbeitsverhältnis. Bei nahtlosem Anschluss und engem sachlich-zeitlichem Zusammenhang werden die vorherigen Beschäftigungszeiten allerdings regelmäßig angerechnet (u. a. für Wartezeit/Kündigungsfristen).
Problematisch kann es werden, wenn zwischen dem Ende des befristeten Vertrags und dem Beginn des unbefristeten eine zeitliche Lücke liegt oder wenn sich wesentliche Arbeitsbedingungen ändern.
Praktische Tipps für Betroffene
Für Arbeitnehmer
Arbeitnehmer sollten bei Erhalt eines neuen Arbeitsvertrags genau prüfen, ob dieser die Kontinuität der Betriebszugehörigkeit ausdrücklich regelt. Ist dies nicht der Fall, sollten sie vor Vertragsunterzeichnung eine entsprechende Klarstellung verlangen. Wichtig ist auch die Dokumentation aller relevanten Umstände wie des bisherigen Tätigkeitsbereichs, der Vergütung und der organisatorischen Einbindung.
Bei Unsicherheiten über die Auswirkungen des neuen Vertrags auf die Kündigungsfristen ist eine rechtliche Beratung empfehlenswert. Diese kann nicht nur Klarheit über die aktuelle Rechtslage schaffen, sondern auch bei Vertragsverhandlungen unterstützen.
Für Arbeitgeber
Arbeitgeber sollten bei der Gestaltung neuer Arbeitsverträge bewusst entscheiden, ob sie die Betriebszugehörigkeit erhalten oder neu beginnen lassen wollen. Diese Entscheidung sollte klar im Vertrag dokumentiert werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
Gleichzeitig müssen sie bedenken, dass Gestaltungen, die allein auf eine Umgehung des Kündigungsschutzes ohne sachlichen Grund zielen, als rechtsmissbräuchlich oder unwirksam angesehen werden können und einer arbeitsgerichtlichen Kontrolle oft nicht standhalten.
Sie stehen vor einem neuen Arbeitsvertrag bei Ihrem bisherigen Arbeitgeber und sind sich unsicher über Ihre Rechtsposition? Wir beraten Sie gerne zu allen Aspekten der Vertragsgestaltung und den Auswirkungen auf Ihre Kündigungsfristen.
Checkliste für den neuen Arbeitsvertrag
Vor Vertragsunterzeichnung prüfen:
Kontinuitätsklausel: Enthält der Vertrag eine ausdrückliche Regelung zur Anrechnung der Vordienstzeit oder zur Kontinuität des Arbeitsverhältnisses?
Kündigungsfristen: Welche Kündigungsfristen sind explizit vereinbart? Entsprechen sie der bisherigen Betriebszugehörigkeit?
Probezeit: Wird eine neue Probezeit vereinbart? Dies könnte ein Indiz für eine gewollte Neubegründung sein.
Tätigkeitsbeschreibung: Wie stark weicht die neue Tätigkeit von der bisherigen ab?
Vergütung und Arbeitsbedingungen: Bleiben wesentliche Elemente des bisherigen Vertrags erhalten?
Betriebliche Zusagen: Was geschieht mit betrieblicher Altersversorgung, Urlaubsansprüchen und ähnlichen Rechten?
Befristung: Wird aus einem unbefristeten ein befristeter Vertrag oder umgekehrt?
Vertragspartner: Bleibt der Arbeitgeber derselbe oder wechselt er (z.B. bei Konzernumstrukturierungen)?
Nach Vertragsabschluss dokumentieren:
Vertragstext: Vollständigen Wortlaut des neuen Vertrags aufbewahren
Verhandlungsunterlagen: Alle E-Mails, Notizen und sonstigen Dokumente zur Entstehungsgeschichte sammeln
Bisherige Unterlagen: Alten Arbeitsvertrag und alle Änderungen chronologisch ordnen
Arbeitsnachweis: Kontinuität der Tätigkeit durch Arbeitszeiten, Projekte etc. belegen können
Häufig gestellte Fragen
Verliere ich meine längeren Kündigungsfristen automatisch bei einem neuen Arbeitsvertrag?
Nein. Bei Fortsetzung oder engem sachlich-zeitlichem Zusammenhang erfolgt regelmäßig Anrechnung der Vorbeschäftigungszeit; ein „automatischer“ Verlust besteht nicht. Entscheidend ist die konkrete Vertragsgestaltung und ob eine Fortsetzung vereinbart wurde.
Kann mein Arbeitgeber durch einen neuen Vertrag meine Betriebszugehörigkeit auf null setzen?
Nicht grundsätzlich: Bei nahtlosem Anschluss und engem sachlich-zeitlichem Zusammenhang – oder bei ausdrücklicher Fortsetzungs-/Anrechnungsvereinbarung – werden Vorbeschäftigungszeiten angerechnet (u.a. für Wartezeit und Kündigungsfristen). Ein Neubeginn „auf null“ kommt vor allem bei einem Arbeitgeberwechsel oder fehlendem Zusammenhang in Betracht.
Was passiert, wenn im neuen Vertrag nichts zur Betriebszugehörigkeit steht?
Bei unklaren Regelungen muss im Einzelfall geprüft werden, ob eine Fortsetzung oder Neubegründung vorliegt. Maßgeblich sind der Parteiwille und die objektiven Umstände. Trotzdem sollten Sie eine ausdrückliche Klarstellung verlangen.
Kann ich verlangen, dass meine Vordienstzeit angerechnet wird?
Einen allgemeinen gesetzlichen Anspruch auf Anrechnung der Vordienstzeit gibt es nicht. Ein Anspruch kann sich aber aus Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder einer individuellen Zusage ergeben, sodass diese Grundlagen jeweils zu prüfen sind. Sie können es aber bei den Vertragsverhandlungen als Bedingung für Ihre Zustimmung zum neuen Vertrag machen.
Gilt bei einem neuen Vertrag wieder eine Probezeit?
Eine später vereinbarte Probezeit innerhalb eines bereits länger bestehenden Arbeitsverhältnisses begründet regelmäßig nicht die verkürzte Frist und setzt verlängerte Kündigungsfristen nicht außer Kraft.
Wie wirkt sich ein Wechsel zwischen Tochterunternehmen desselben Konzerns aus?
Regelmäßig neues Arbeitsverhältnis; Anrechnung nur bei Vereinbarung oder gesetzlicher Grundlage (z. B. § 613a BGB). Hier wird meist ein neues Arbeitsverhältnis begründet, da die Unternehmen rechtlich selbstständig sind.
Was ist bei der Umwandlung von befristet in unbefristet zu beachten?
Auch bei nahtlosem Übergang von befristet zu unbefristet entsteht rechtlich regelmäßig ein neues Arbeitsverhältnis; die zuvor zurückgelegten Beschäftigungszeiten werden bei engem zeitlich/sachlichem Zusammenhang regelmäßig angerechnet (u.a. für Wartezeit und Kündigungsfristen).
Kann ich den neuen Vertrag ablehnen und beim alten bleiben?
Das hängt davon ab, warum ein neuer Vertrag angeboten wird. Bei bloßen Verbesserungen können Sie meist ablehnen. Bei notwendigen Anpassungen (z.B. aufgrund geänderter Gesetze) kann der Arbeitgeber unter Umständen das alte Arbeitsverhältnis kündigen, wenn Sie den neuen Vertrag nicht annehmen.
Welche Unterlagen sollte ich für einen späteren Streitfall aufbewahren?
Bewahren Sie alle Verträge, E-Mails, Gesprächsnotizen und sonstigen Dokumente auf, die die Entstehung des neuen Vertrags und Ihre bisherige Betriebszugehörigkeit belegen. Auch Arbeitsnachweise, Zeugnisse und Gehaltsabrechnungen können relevant sein.
Lohnt sich eine anwaltliche Beratung vor Vertragsunterzeichnung?
Bei wichtigen Vertragsänderungen oder wenn Sie sich unsicher über die Auswirkungen sind, ist eine Beratung sehr empfehlenswert. Die Kosten für eine Beratung sind meist deutlich geringer als die möglichen Nachteile durch eine unvorteilhafte Vertragsgestaltung.