Kanzlei Manz

Urlaub und Verjährung

Hat der Arbeitnehmer am Ende des Jahres noch nicht seinen gesamten Jahresurlaub verbraucht, führt dies häufig zu Streit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Denn wie mit dem übrigen gebliebenen Urlaubsanspruch umzugehen ist, ist häufig unklar. Deshalb werden und wurden bereits zahlreiche Verfahren vor den Arbeitsgerichten, dem Bundesarbeitsgericht und dem Europäischen Gerichtshof geführt.

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Regina Manz informiert in diesem Beitrag über den aktuellen Stand bei der Verjährung von Urlaubsansprüchen und Urlaubsabgeltungsansprüchen nach den jüngsten Urteilen des Bundesarbeitsgerichts.

Wie war die gesetzliche Regelung zum Verfall/Verjährung von Erholungsurlaub?

Oft wird im Urlaubsrecht auf die Regelung in § 7 Bundesurlaubsgesetz verwiesen, wenn es um den Verfall oder die Verjährung von Erholungsurlaub geht. Dort ist vor allem Absatz 3 einschlägig. Der Grundsatz ist, dass Erholungsurlaub in dem entsprechenden Kalenderjahr genommen und gewährt werden muss.

Da dies z.B. aus betrieblichen Gründe, wenn der Arbeitsanfall zu groß ist, oder aus persönlichen Gründen manchmal nicht möglich sein kann, hatte der Arbeitnehmer die Möglichkeit den Rest-Urlaub bis zum 31.03. des folgenden Jahres zu nehmen. Hatte man z.B. noch Resturlaubstage aus 2021 übrig und war es nicht möglich diese bis zum 31.12.2021 zu nehmen, hätten diese bis spätestens zum 31.03.2022 genommen werden müssen. Danach wären die Urlaubstage dann verfallen.

Durch mittlerweile zahlreiche Urteile, vor allem aus den Jahren 2018 und 2019 sowie durch aktuelle Urteile aus Dezember 2022 und Januar 2023 sowohl des BAG als auch des EuGH, und die Regelung des Unionsrechts der EU gilt die gesetzliche Regel aus § 7 Abs. 3 BUrlG allerdings in der Form nicht mehr. Die Regelung auf § 7 Abs. 3 BUrlG ist nun unionskonform so auszulegen, dass der Urlaubsanspruch nur unter sehr strengen Voraussetzungen überhaupt verfallen kann. Ein automatischer Verfall, wie § 7 Abs. 3 BUrlG vorsieht, gilt nicht mehr.

Können Urlaubstage einfach verfallen?

Mit der dargestellten bisherigen gesetzlichen Reglung war es möglich, dass der Rest-Urlaubsanspruch einfach verfällt. Der verbliebene Urlaubsanspruch des vergangenen Jahres verfiel automatisch entweder zum 31.12. oder zum 31.03, wenn die Mitnahme des Rest-Urlaubs in das neue Jahr möglich war. Der Arbeitnehmer musste also selbst im Blick haben, ob er noch Resturlaub hat oder nicht. Den Arbeitgeber traf keinerlei Pflichten auf dem verbliebenen Urlaubsanspruch hinzuweisen bzw. darüber zu informieren.

Hinweis- und Informationspflicht des Arbeitgebers

Den Arbeitgeber treffen nun Hinweis- und Informationspflichten zum verbliebenen Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers. Er muss den Arbeitnehmer rechtzeitig auffordern, den verbliebenen Urlaub zu nehmen und muss über einen möglichen Verfall zum Ende des Jahres oder zum Ende des ersten Quartals des Folgejahres (31.03.) informieren. Die Beweislast für die Information trägt grundsätzlich der Arbeitgeber.

Dies hatte das BAG bereits 2019 (Az. 9 AZR 541/15) nach einer Entscheidung des EuGH aus 2019 entschieden.

Wann verjährt nicht genommener Urlaub?

Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht über den verbliebenen Urlaubsanspruch belehrt oder darauf hingewiesen, den Urlaub zu nehmen, verfällt der Urlaub nicht. Doch unterliegt der Urlaubsanspruch grundsätzlich auch den Verjährungsregeln des BGB. Dies würde bedeuten, dass auch ohne Verfall (zum 31.12. oder 31.03.) der Urlaubsanspruch irgendwann verjährt – spätestens nach 3 Jahren. Dann wäre der verbliebene Urlaubsanspruch 3 Jahre nach dem Jahr, in dem er entstanden ist, gem. 195 BGB verjährt.

Ohne Hinweis des Arbeitgebers keine Verjährung des Urlaubsanspruchs

Doch auch dies haben EuGH und BAG in jüngster Zeit für nicht mit dem Unionsrecht vereinbart erachtet. Auch hier kommen die beschriebenen Hinweis- und Informationspflichten des Arbeitsgebers ins Spiel. Hat der Arbeitgeber nicht über den verbliebenen Urlaubsanspruch konkret informiert und nicht aufgefordert diesen Urlaub zu nehmen, dann beginnt auch keine Verjährungsfrist. Dies bedeutet, dass ohne Hinweis und Aufforderung des Arbeitgebers ein Urlaubsanspruch nicht verjähren kann.

In dem Fall, den das BAG am 20.12.2022 entschied (AZ. 9 AZR 266/20) hatte eine Steuerfachangestellte geklagt, die aus den letzten Jahren ihrer Tätigkeit noch 101 Urlaubstage von ihrem Arbeitgeber abgegolten haben wollte. Eine Verjährung komme zwar grundsätzlich in Betracht, so das BAG. Aber solange der Arbeitgeber nicht informiert, beginnt die Verjährungsfrist nicht zu laufen.

Was passiert mit nicht genommenem Urlaub nach Kündigung?

Wenn ein Arbeitsverhältnis endet und dem Arbeitnehmer stehen noch Urlaubsansprüche zu, die vor Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden konnten, müssen diese durch den Arbeitgeber in Geld abgegolten werden – man bezeichnet dies als Urlaubsabgeltungsanspruch.

Hatte der Arbeitgeber während des Arbeitsverhältnisses nicht auf verbliebenen Urlaub aus den Vorjahren hingewiesen und deshalb dem Arbeitnehmer diesen verwehrt, kann sich nun noch ein Abgeltungsanspruch auf diesen Urlaubsanspruch aus den Vorjahren ergeben haben. Denn verfallen oder verjährt ist der Urlaubsanspruch nicht, soweit kein Hinweis des Arbeitgebers stattgefunden hat.

Urlaubsabgeltungsansprüche verjähren 3 Jahre nach Ausscheiden aus dem Unternehmen

Dabei ist nun die Frage, wann und ob ein solcher Abgeltungsanspruch noch besteht oder verjährt ist. Das BAG hat entschieden, dass grundsätzlich auch hier die dreijährige Verjährung gem. § 195 BGB möglich ist. Doch wann beginnt die Verjährungsfrist?

Nach dem Urteil des BAG vom 31.01.2023 (Az. 9 AZR 456/20) beginnt die Verjährung mit dem Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet. Endete das Arbeitsverhältnis z.B. zum 31.10.2020, beginnt die Verjährungsfrist am 31.12.2020 und endet am 31.12.2023. Dabei sind Hinweis- oder Mitwirkungsobliegenheiten des früheren Arbeitgebers nicht relevant.

Hat der Arbeitgeber während des Arbeitsverhältnisses nicht auf den verbliebenen Urlaubsanspruch hingewiesen, ist dieser weder verfallen noch verjährt. Hat das Arbeitsverhältnis nun geendet, hat man nach der neuen Rechtsprechung noch Anspruch auf Abgeltung dieses Rest-Urlaubs. Deshalb kann man, so lange der Abgeltungsanspruch noch nicht verjährt ist, auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses noch eine zusätzliche Abgeltung einfordern.

Übergangsfrist für Alt-Fälle

Doch lässt das BAG Ausnahmen für Alt-Fälle zu: für Abgeltungsansprüche, die vor dem EuGH-Urteil am 06.11.2018 entstanden sind, gelten vorübergehend längere Verjährungsfristen. Dies hat den Hintergrund, dass vor dem Urteil des EuGH noch davon ausgegangen worden ist, dass die Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüche mit Ende des Jahres der Urlaubsentstehung begonnen hat. Nach der neuen Rechtsprechung beginnt die Verjährung allerdings erst ab dem Ende des Jahres, an dem das Arbeitsverhältnis geendet hat.

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